Foto: Christian Artuso

Abstammung

Lange Zeit nahm man an, dass das Gemeine Meerschweinchen (Cavia aperea) der Vorfahre unserer Hausmeerschweinchen (Cavia porcellus) ist. Durch neue Untersuchungen ist jedoch bewiesen worden, dass das Tschudi-Meerschweinchen (Cavia tschudii) das am nähesten verwandte Wildmeerschweinchen ist, somit gilt es als der wahrscheinlichste Vorfahre unserer domestizierten Meerschweinchen (Spotorno et al. 2004, 2006 & 2007, Dunnum 2010). Auch Untersuchungen des Skelettes und der Schädelform unserer Hausmeerschweinchen und mummifizierter Meerschweinchen bestätigen diese Annahme (Spotorno et al 2007).
Allerdings sind Hausmeerschweinchen mit den Gemeinen und Tschudi-Meerschweinchen fruchtbar, was eine nahe Verwandtschaft nahe legt.

Meerschweinchen haben eine lange Domestikationsgeschichte. In Südamerika werden sie bereits seit etwa 3000 bis 6000 Jahren gehalten, seit dem 16. Jahrhundert findet man sie auch bei uns in Europa.

Ernährung der Tschudi-Meerschweinchen

Foto: Rich Hoyer

Die Tschudi-Meerschweinchen leben in den feuchten Graslandschaften (Wet Puna), Wäldern und Feuchtgebieten der Anden zwischen etwa 2000 und 4200 Metern Höhe, von März bis Oktober tritt hier insbesondere nachts auch Frost auf. Verbreitet sind sie in Peru, Argentinien, Bolivien und Chile, u.a. in unterschiedlichen Nationalparks. Je nach Lebensraum leben sie im hohen Gras und legen Trampelpfade an, oder aber sie leben in verlassenen Höhlen.

Die Wet Puna ist von Seen und Flüssen durchzogen, jährlich ist mit einem Niederschlag von 500 bis 700 Millimeter zu rechnen. Zum Vergleich: In Deutschland haben wir einen vergleichbaren Jahresniederschlag von 475 bis 965 Millimetern. Es handelt sich also um eine relativ feuchte Landschaft mit guter Vegetation. Die Tschudis siedeln sich besonders in feuchten Gebieten in der Nähe von Wasserstellen an. Die Vegatation besteht vorwiegend aus Gräsern, aber auch aus kleinen Büschen, Sträuchern, Bäumen und Kräutern. Die Tschudi-Meerschweinchen ernähren sich vorwiegend aus einer Mischung unterschiedlichster Gräser, ergänzt durch Kräuter und Rinden sowie Blätter der erreichbaren Büsche.

Foto: R. Kessenich

Foto: R. Kessenich

Ernährung während der Domestikation

Die Meerschweinchen werden in Peru und anderen Andenregionen als Schlachttiere von den Einheimischen gehalten. Man geht davon aus, dass sie sich durch Fütterungen an den Menschen gebunden haben und so im Vergleich zu anderen Haustierarten schon sehr lange domestiziert sind. Unsere Hausmeerschweinchen stammen ursprünglich von diesen Schlachttieren ab. Auf Grund der langen Domestikationsgeschichte hat sich das Meerschweinchen an die Kost der Einheimischen gewöhnt und anatomisch angepasst. Die Verdauung ist gegenüber den Tschudii-Meerschweinchen geringgradig verändert.

Die Einwohner ernähren ihre Meerschweinchen vorrangig von geschnittenen Pflanzen, besonders Gräsern, Getreidepflanzen (grünes Getreide), Alfalfa (Luzerne), Klee, frische Maiskolben und Maispflanzen, ergänzt mit diversen Kräutern.

Foto: Mike Amanda Knowles

Foto: Mike Amanda Knowles

In geringen Mengen wird dazu alles, was an Pflanzenabfällen in der Küche anfällt, angeboten, insbesondere Karottenschalen, (Futter)kohl, Salate und Kartoffelschalen. Die Meerschweinchen werden traditionell oft in der Küche freilaufend gehalten.

Foto: Jason Hollinger

Foto: Jason Hollinger

Haben sich die Meerschweinchen nicht auch an Getreide und industrielles Futter angepasst?

img_9290Industrielle Futtermittel werden erst verhältnismäßig kurze Zeit hergestellt, seit 1959 entwickelte sich in Deutschland eine Futtermittelindustrie, die jedoch zunächst auf Nutztierfutter beschränkt blieb. Heimtiernahrung wurde erst deutlich später produziert und vermarktet, Bis dahin war es üblich, die Meerschweinchen in Deutschland ohne Fertigfutter zu ernähren, statt dessen erhielten sie vorrangig Grünfutter von Draußen und Küchenabfälle vom Gemüse.

Diese Ernährung entspricht in etwa der Fütterung in den Anden. In wenigen Jahrzehnten der Futtermittelproduktion ist es evolutionär nicht möglich, dass sich das Meerschweinchen an diese Nahrungsgrundlage anpasst. Dies erklärt auch, warum Meerschweinchen mit Zahn- und Verdauungserkrankungen kämpfen, wenn sie langfristig mit industriellem Futter ernährt werden.

Quellen u.a.

Dunnum, J. L., & Salazar‐Bravo, J. (2010): Molecular systematics, taxonomy and biogeography of the genus Cavia (Rodentia: Caviidae). Journal of Zoological Systematics and Evolutionary Research48(4), 376-388.

Gade, D. W. (1967): The guinea pig in Andean folk culture. Geographical Review, 213-224.

Karinger, Albert (1963): Die Entwicklung der Mischfutterindustrie in Deutschland

Morales, E. (1994): The guinea pig in the Andean economy: from household animal to market commodity. Latin American Research Review, 29(3), 129-142.

Ramirez, O. Arana, M. Bazán, E. Ramirez, A. Cano, A. (2007): Assemblages of bird and mammal communities in two major Ecological Units of the andean highland plateau of southern Peru. Ecología aplicada. 6(1-2): 139-148

Redford, K.H. & Eisenberg, J.F. (1992): Mammals of the Neotropics. The Southern Cone, Vol. 2. University of Chicago Press, Chicago.

Rohrbach, C. (1989): Der weite Himmel über den Anden. Zu Fuß zu den Indios in Ecuador.

Spotorno, A. E., Valladares, J. P., Marín, J. C., & Zeballos, H. O. R. A. C. I. O. (2004): Molecular diversity among domestic guinea-pigs (Cavia porcellus) and their close phylogenetic relationship with the Andean wild species Cavia tschudii. Revista Chilena de Historia Natural, 77(2), 243-250.

Spotorno A.E., Marín J.C., Manríquez G., Valladares J.P., Rico E. and Rivas C. (2006): Ancient and modern steps during domestication of guinea pigs (Cavia porcellus L.). Journal of Zoology

Spotorno A.E., Manríquez G., Fernández L., A., Marín J.C., González F. and Wheeler J. (2007): Domestication of guinea pigs from a southern Peru-northern Chile wild species and their middle pre-Columbian mummies. pp. 367–388

Tonni, E.P. (1984): The occurence of Cavia tschudi (Rodentia: Caviidae) in the Southwest of Salta Province, Argentina. Studies on Neotropical Fauna and Environment. 19(3): 155-158.
World Wildlife Fund (Hrsg.): Western South America: Peru and Bolivia. http://www.worldwildlife.org/ecoregions/nt1003 (Stand: 14.04.2017)