Eine regelmäßige Kontrolle der Vorderzähne beim TÜV hilft, Zahnerkrankungen festzustellen.

Zu den häufigsten Erkrankungen beim Meerschweinchen gehören Zahnkrankheiten, diese werden oft erst spät erkannt und wirken sich auf das Allgemeinbefinden aus, deshalb können sie auch zu Folgeerkrankungen führen.

Achtung! Nicht selten verhungern Meerschweinchen vor einem vollen Futternapf, weil sie durch Zahnfehlstellungen das Futter kaum aufnehmen können und nur darin herumwühlen, so dass es so wirkt, als wenn sie fressen würden.

Symptome: Woran erkenne ich Zahnerkrankungen?

Die Symptome für Erkrankungen der Zähne sind vielfältig, diese Symptome sind ein direkter Hinweis auf Zahnerkrankungen, meistens treten nur eines oder zwei Symptome gleichzeitig auf.:

Auch Entzündungen im Rachen (durch das Herpes Simplex Virus) können mit einer Zahnerkrankungen verwechselt werden, da manche Meerschweinchen dadurch nicht fressen. Diese sind meist durch den Blick ins Maul (am besten mit dem Video-Otoskop) feststellbar. Meist ist zudem bei einer solchen Entzündung der Würge-/Hustenreflex auslösbar.
  • Abmagerung oder Gewichtsabnahme durch geringere Nahrungsaufnahme
  • Ein nasses Kinn, Sabber unter dem Mund, in den Mundwinkeln oder am Hals
  • Durchfall oder andere Verdauungsprobleme (nicht unbedingt durchgängig), oft unförmiger oder matschiger Kot.
  • Zähneknirschen (Schmerzanzeichen)
  • Zu lange, abgebrochene oder falsch wachsende Vorderzähne bzw. Faserzähne bei der Begutachtung. Gesunde Schneidezähne sind glatt und weiß. Eine graue oder braune Verfärbung kann auf Verfärbungen durch Frischfutter oder Zahnerkrankungen bzw. Mängel hinweisen. Wer die Scheidezähne regelmäßig im TÜV kontrolliert, stellt Veränderungen und Defekte schneller fest.
  • Verdauungsstörungen (Aufgasungen, Verstopfungen, Magendilatation, Durchfall, Nahrungsverweigerung…)
  • Das Meerschweinchen hält den Mund leicht geöffnet, schließt ihn nicht ganz
  • Es werden schleichend bestimmte Nahrungsmittel kaum noch gefressen (z.B. Nahrung die abgebissen werden muss oder härtere Nahrung), oft wird nur noch zerkleinertes oder weiches Futter aufgenommen und z.B. Heu nicht mehr gefressen.
  • Das Meerschweinchen frisst (scheinbar) aber kann die Nahrung nicht richtig aufnehmen oder kauen bzw. das Futter fällt wieder aus dem Mund oder sie bekommen es nicht richtig mit den Zähnen gepackt.
  • Das Meerschweinchen braucht länger um zu fressen, ist ständig hungrig, wühlt und sucht in der Nahrung.
  • Knubbel beim Abtasten des Ober- oder Unterkiefers
  • Starkes, auffälliges Kauen.
  • Erhöhte Flüssigkeitszufuhr, vermehrtes Trinken
Mindestens einmal im Monat sollten die Schneidezähne von der Seite begutachtet werden. Ist eine Stufe zu sehen, so liegen Backenzahnerkrankungen vor.

Ursachen: Wie entstehen Zahnerkrankungen?

Die Hauptursachen für Zahnprobleme sind:

Eine artgerechte Ernährung ist die beste Vorbeugung für Zahnerkrankungen!
  • Riesenzähne (Makrodonten) sind nach derzeitigen Kenntnisstand die Hauptursache für Zahnerkrankungen beim Meerschweinchen. Die Entstehung ist bisher ungeklärt. Da es meistens die hinteren Backenzähne betrifft, wird es gerne übersehen.
  • Zu wenig Zahnabrieb (der lebenslang nachwachsenden Zähne) durch falsche Ernährung: Die Verfütterung von Trockenfutter, Brot, zu viel Mais oder Körnern ist die Hauptursache für Zahnprobleme. Meerschweinchen benötigen für einen gesunden Zahnabrieb rund um die Uhr ein hochwertiges Heu und abwechslungsreiches Grünfutter wie z.B. Gras, Löwenzahn, Klee, Zweige mit Blättern, Gemüsegrün, Blattgemüse, Kräuter… Gekauftes Futter und Brot sind völlig ungeeignet für die Ernährung, anderes Energiefutter sollte nur sparsam und nur bei Bedarf eingesetzt werden. Je mehr die Meerschweinchen kauen, desto besser ist der Zahnabrieb gewährleistet. Besonders gut und viel kauen sie bei nicht zu energiereichen, gut schmeckenden, ständig verfügbaren und faserigen (nicht gemahlenen/zerkleinerten) Futtermitteln.
  • Riesenzähne (Makrodonten) sind nach derzeitigen Kenntnisstand die Hauptursache für Zahnerkrankungen beim Meerschweinchen. Die Entstehung ist bisher ungeklärt.
  • Zu große Belastung der Zahnfächer (Bereich um den Zahn herum) durch sehr hartes Futter (Körner, Trockenfutter wie z.B. Pellets, Extrudate…, Erbsenflocken Verfütterung von sehr großen Mengen festen Gemüses und Obst statt blättrigen, flachen und krautigen Grünfutter. Hartes Futter wird wie bei uns Menschen gekaut statt gemahlen zu werden. Dieser Kaufvorgang ist unnatürlich und belastet unverhältnismäßig stark die empfindlichen Zahnfächer, die daraufhin geschädigt werden, es entstehen retrogrades Zahnwachstum, Entzündungen und Abszesse.
  • Angeborene Fehlstellungen des Kiefers oder genetisch bedingte Zahnfehlstellungen durch die Vermehrung von Meerschweinchen ohne Genetikkenntnisse.
  • Aufzucht mit Pellets/Trockenfutter und Heu, wie es z.B. in vielen Zoohandelzuchten praktiziert wird. In dieser Phase wird die Kopfform und Kaumuskulatur durch die unnatürliche Ernährung verändert, was später zu Zahnerkrankungen führen kann.
  • Durch Gewalteinwirkung (traumatisch) bedingte Zahnerkrankungen, z.B. bei der Anwendung von Maulspreizern, durch das Gitternagen oder bei Stößen gegen die Vorderzähne, wenn die Meerschweinchen in Panik gegen Wände oder Gegenstände laufen bzw. bei einem Sturz auf die Vorderzähne der bei Zahnkürzungen mit der Zange („Knipsen“)
  • Alters-Zahnerkrankungen durch altersbedingte Zahnverschiebungen
  • Zahnerkrankungen durch Mineralstoffmängel oder Störungen des Ca:P Stoffwechsels, z.B. durch eine kalziumarme Ernährung, Vitamin D Mangel, Vitamin C Mangel oder Nahrungsverweigerung bzw. schlechter Nährstoffaufnahme bei einer anderen Krankheit. Denken Sie an Vitamin D bei Innenhaltung! Der Mangel dieses Sonnen-Vitamins ist in Wohnungshaltung eine Hauptursache für Zahnfehlstellungen.
  • Geringere Nahrungsaufnahme durch andere Erkrankungen, durch die Nahrungsverweigerung wird weniger gekaut und somit die Zähne weniger abgeschliffen, Zahnkrankheiten entstehen.
  • Verändertes Kauverhalten durch eine Ohrenentzündung
Erde am Grünfutter verursacht einen natürlichen Schmirgeleffekt an den Zähnen.

„Auch wenn ein Tier gar nicht  viel kauen muss, weil es Futter bekommt, das energiereicher als Grünes ist, wachsen die Zähne.
Bekommen Meerschweinchen und Kaninchen also Futtermittel, die schneller satt machen als das von der Natur vorgesehene Futter, kauen sie weniger und die Zähne werden zu lang. Eine verbreitete, aber falsche Meinung ist, dass man den Tieren etwas „Hartes“ wie trockenes Brot o.ä. anbieten müsse, um den Zahnabrieb zu fördern. Das ist nicht richtig, denn das Einzige, das so hart ist, dass es einen Zahn abreiben kann, ist ein anderer Zahn. Dieser Abrieb, Zahn auf Zahn, passiert beim ganz normalen Kauen. Das Gebiss von Kaninchen und Meerschweinchen ist eines der am besten spezialisierte Gebisse im Tierreich. Die Form der Zähne sowie der Aufbau von Zahn und Zahnwurzel ist hochspezialisiert auf das Zermahlen von weicher, frischer, blättriger Nahrung. Bekommen diese Tiere Futter, dessen Struktur nicht zu ihrem hochspezialisierten Gebiss passt, und das nicht mit den physiologischen Mahlbewegungen zerkleinert werden kann, dann werden Zähne und Zahnwurzeln falsch belastet, was wiederum zu schwerwiegenden Zahnproblemen führen kann. Falsche Fütterung ist daher die Ursache für die meisten Zahnprobleme bei Kaninchen und Meerschweinchen.
„Fehlstellungen“ sind fast nie angeboren sondern entstehen  durch zu schlechte Zahnabnutzung oder Fehlbelastungen.

Dr. med. vet. Diana Ruf, Quelle: http://tieraerztin-ruf.de/2017/07/24/gesunde-ernaehrung-von-meerschweinchen-und-kaninchen/

Begutachtung & Diagnose

Für die Behandlung von Zahnerkrankungen ist der Haustierarzt in der Regel nicht ausgebildet, es braucht einen speziellen Tierzahnarzt.

Zahnkundige Tierärzte finden

  • Die Schneidezähne lassen sich beim Meerschweinchen meist mit einem geübten Griff vom Tierarzt einigermaßen in Augenschein nehmen (Farbe, Struktur, Form, Länge…). Wenn die Schneidezähne zu lang oder falsch wachsen, sind so gut wie immer auch die Backenzähne erkrankt.
  • Die Backenzähne hingegen können recht schwer eingesehen werden. Für die erste Untersuchung reicht es aus, mit einem Otoskop oder Wangenspreizer das Maul zu betrachten. Niemals sollte dazu ein Maulspreizer verwendet werden, da dieser den Kiefer brechen oder die Zähne lockern kann, so dass eine Fehlstellung, eitrige Zahnwurzeln (und Kieferabszesse) oder abgebrochene Zähne die Folge sind und das Meerschweinchen sich durch Abwehrbewegungen sogar schwer verletzen kann.
Mit geübten Griff kann man die Lippen seitlich nach hinten ziehen, so dass sich die Schneidezähne beurteilen lassen.
  • Besteht der Verdacht für Zahnerkrankungen, so ist es unumgänglich, die Zähne zu röntgen, denn 80% der Zahnerkrankungen befinden sich in den Zahnfächern oder an den Zahnwurzeln und sind somit nach außen nicht sichtbar! Man röngt dabei den Kopf aus verschiedenen Blickwinkeln heraus (Ebenen), da man so unterschiedliche Erkrankungen gut erkennen kann. Beispielweise braucht man eine seitliche Aufnahme um zu beurteilen, ob die Kaufläche und die Zahnwurzeln richtig lang und geformt sind und die verkippten 45 Grad Aufnahmen oder den isolierten Ober- bzw. Unterkiefer um die Zahnwurzeln einzeln zu begutachten. Eine korrekte Auswertung der Röntgenbilder ist durch die Referenzlinien nach Böhmer und Crossley möglich. Für Röntgenaufnahmen ist normalerweise kein Beruhigungsmittel oder Narkose nötig. In Narkose lässt sich das Meerschweinchen aber oftmals besser lagern, deshalb röntgen viele Tierärzte in Narkose noch weitere Ebenen oder nutzen notwendige Narkosen um auch Zahnröntgenbilder zu erstellen.
  • Ist der Tränennasenkanal mit betroffen, kann neben der Diagnostik der Zähne, ein Durchspülen des Tränennasenkanals (ist er durchgängig?), Anfärben des Augen (ist durch die chronische Entzündung ein Infekt der Hornhaut sichtbar? Ist der Tränennasenkanal durchgängig?) und ggf. auch eine Kontrastmitteluntersuchung des Tränennasenkanals mittels Röntgen (wo ist die Engstelle?) sinnvoll sein.
  • Auch andere bildgebende Verfahren (intraorales Röntgen, CT oder MRT) sind denkbar zur Diagnostik.

Die Tierärztin Dr. Diana Ruf erklärt, warum in vier Ebenen geröngt werden muss und was das bedeutet:

Sie bietet Zahnwebinare an, die für Halter verständlich die Zahnerkrankungen und Behandlung erklären.

Behandlung von Zahnerkrankungen

Je nach Krankheitsbild werden folgende Behandlungsmethoden gewählt:

Schneidezahnerkrankungen

  • Kürzung überlanger Vorderzähne nach den Referenzlinien, die Zähne dürfen aber keinesfalls mit Zangen abgeknipst werden, sondern müssen immer mit routierenden Werkzeugen abgeschnitten werden. Dies ist ggf. auch ohne Narkose möglich. Das Abzwicken führt zu Haarrissen, lockeren/wackeligen Zähnen oder porösen Zahnwachstum, all dies unterstützt die Bildung von Eitergeschehen/Kieferabszessen! Die Kürzungen müssen alle 3-6 Wochen wiederholt werden.
  • Entfernung von Schneidezähnen wenn die Zahnwurzel erkrankt ist. Eine totale Extraktion aller vier Schneidezähne wird von Meerschweinchen schlecht akzeptiert, so dass man i.d.R. nur im Einzelfall einen einzelnen, kranken Zahn entfernt und die anderen regelmäßig kürzt.
  • Abgebrochene Schneidezähne wachsen von selber wieder nach, allerdings muss der Gegenspieler, der nun ungehindert wächst, gekürzt oder kontrolliert werden, sonst kann es zu Fehlstellungen kommen. Zudem sollte die Ursache behoben werden. Bei brüchigen, maroden Zähnen liegt eine Zahnwurzelerkrankung oder Mangelernährung vor. Eeine ausreichende Kalzium- und Energiezufuhr behebt die Mangelsituation. Auch Niereninsuffizienz, Vitamin C- oder Vitamin D Mangel kommt als Ursache in Frage.
  • Riesenzähne (Makrodonten) (meist im Unterkiefer, selten auch im Oberkiefer) werden entweder durch regelmäßiges Einschleifen (Okklussionskorrektur), oder besonders im Unterkiefer durch die Entfernung der Wachstumszone („Zahnwurzel) des Zahns (Apikotomie) behandelt. Die Entfernung von Riesenzähnen birgt größere Risiken als die ersten genannten Therapieoptionen.

Backenzahnerkrankungen

  • Einschleifen der zu langen Backenzähne die in die Backenschleimhaut stechen nach den Referenzlinien, Entfernung von Zahnharken die in die Backe stechen und dort Wunden verursachen und -brücken über der Zunge. Auch hier dürfen nur rotierende Werkzeuge verwendet werden. Deshalb ist eine Sedation nötig. Das Abzwicken größerer Zahnstücke führt zu Haarrissen, lockeren/wackeligen Zähnen oder porösen Zahnwachstum, all dies unterstützt die Bildung von Eitergeschehen/Kieferabszessen! Nach der Behandlung sollte eine Röntgenkontrolle mit Referenzlinien erfolgen, damit ggf. nötig Nachbesserungen in der gleichen Narkose durchgeführt werden können.
  • Riesenzähne (Makrodonten) (meist die hinteren Backenzähne M2 und M3) werden entweder durch regelmäßiges Einschleifen (Okklussionskorrektur), oder besonders im Unterkiefer durch die Entfernung der Wachstumszone („Zahnwurzel) des Zahns (Apikotomie) behandelt. Die Entfernung von Riesenzähnen birgt größere Risiken als die ersten genannten Therapieoptionen.
  • Zähnen mit eitriger Zahnwurzel und Zahnabszesse: Meerschweinchen sind oftmals eher empfindlich, daher werden wenn überhaupt nur einzelne Zähne nach guter Abwägung entfernt. Diese Entfernungen gehören in absolut fachkundige Hände! Viele Meerschweinchen fangen nicht wieder an zu fressen, so dass diese Vorgehensweise meist nicht Mittel der Wahl ist. Bessere Erfolge werden mit Langzeit-Antibiose + Schmerzmittel erzielt, der Eiter bildet sich zurück, die Tiere fressen weiterhin. Teils muss das Antibiotikum lebenslang verabreicht werden. Begleitend sind regelmäßige Kontrollen und Einschleifen erforderlich.
  • Behandlung ggf. aufgetretener Mundschleimhautverletzungen

Viele Meerschweinchen sterben jährlich an den Folgen des Zähneknipsens, besonders bei nicht nur oberflächlichem Knipsen (kleinste Spitzen) sind die Folgen fatal, die dadurch entstehenden Haarrisse (längs bis in den Kiefer) führen zu Entzündungen, diese wiederum zu Eiter und Abszessen, die extrem hohe Behandlungskosten verursachen, oft müssen die Meerschweinchen daraufhin erlöst werden.

Korrektur ohne Narkose?

  • Etwa 80% aller Zahnerkrankungen beim Meerschweinchen werden bei einer Untersuchung ohne Narkose oder Sedierung übersehen. Oft werden die Schneidezähne gekürzt ohne Backenzahnerkrankungen zu behandeln. Mit Narkose und Röntgendiagnostik (in mehreren Ebenen) können über 90% der Zahnerkrankungen erkannt werden. Durch unentdeckte Erkrankungen kann durch eine Behandlung meist nicht das angestrebte Ergebnis erzielt werden.
  • Eine Untersuchung ohne Narkose verursacht bei fast allen Meerschweinchen enormen Stress, dieser kann zu zum Schocktod und Abwehrbewegungen, die zu starken Verletzungen der Wirbelsäule und Zähne, des Zahnfleisches oder des Kiefers führen können, führen.
  • Ein Maulspreizer darf auf keinen Fall ohne Narkose angewendet werden, es besteht die Gefahr von Abwehrverletzungen und Schäden an den Zähnen und am Kiefer. Er ist jedoch für eine saubere Diagnostik unumgänglich.
    „Maul- und Wangenspreizer dürfen nicht am wachen Tier eingesetzt werden. Sie bergen hohe Verletzungsrisiken wie Kieferfrakturen, Kieferluxationen, Gingivaverletzungen und Inzisivusfrakturen. Ihr Einsatz ist zudem für den Patienten sowohl während der Prozedur als auch durch die massive Druckeinwirkung des Maulspreizers auf Kiefer und Zähne noch einige Tage in der Folge schmerzhaft.“ BVVD (2016): FAQ – Berufseinstieg Kleintierpraxis. Enke Verlag.
  • Bei einer Untersuchung ohne Narkose kommt es zu einer starken Kreislaufbelastung, die nachher das Narkoserisiko stark erhöht.
  • Für die professionelle Korrektur der Zähne sind rotierende Werkzeuge erforderlich, denn nur diese ermöglichen eine exakte Behandlung und haben gegenüber Zangen den Vorteil, dass sie die Zähne nicht lockern oder splittern lassen. Durch gesplitterte Zähne kommt es zu Entzündungen, die oft zu schlecht zu behandelnden Abszessen und Eitergeschehen führen können. Rotierende Instrumente sollten aus Sicherheitsgründen nur an sedierten Meerschweinchen angewendet werden (Ausnahme: Schneidezähne).
  • Durch die Narkose ist eine richtige Zahnsanierung möglich: Einschleifen der Zähne nach den Referenzlinien, kontrolliert durch Röntgen, teils Behebung der Ursachen des Zahnproblems, Behandlung der gesamten Problematik (es wird nichts übersehen). Dadurch muss das Tier wesentlich seltener behandelt werden und ggf. verlängern sich die Abstände enorm! Viele müssen nach jahrelangem Knipsen nur einmal eingeschliffen werden und nutzen dadurch ihre Zähne dann wieder zeitlebens alleine ab!

Deshalb ist es unumgänglich, bei Zahnerkrankungen das Meerschweinchen in Narkose oder Sedation zu untersuchen und zu behandeln. Sollte ein chronisches Zahnproblem bestehen, so dass in geringen Abständen eine Kürzung nötig ist, kann versucht werden, diese in Sedation ohne Narkose durchzuführen, besonders wenn das Meerschweinchen schon älter oder nicht narkosefähig ist. Es sollte aber immer zuvor eine Zahnsanierung in Narkose und Röntgenaufnahmen aus vier Ebenen angefertigt werden! Manche Meerschweinchen gewöhnen sich mit der Zeit an die stressige Tortur. Trotzdem sollten die Zähne nicht abgezwickt, sondern mit einer Trennscheibe abgeschnitten, geraspelt oder aber geschliffen werden!

Ist das Meerschweinchen nicht narkosefähig, müssen Korrekturen so gut es geht ohne Narkose vorgenommen werden oder das Tier soweit stabilisiert werden, dass man es sedieren kann.

„Mein Tierarzt behandelt die Zähne besonders schonend, er schafft das ganz ohne Narkose!“

Viele Halter scheuen die Narkose und entscheiden sich deshalb für das „Zähneknipsen“ mit Maulspreizer. Das ist fatal: Bei einer solchen Behandlung findet keine Korrektur der Referenzlinien und keine Ursachenfindung statt, sondern nur ein oberflächliches Herumdoktern an den Symptomen, dadurch müssen die Zähne ständig, oftmals sogar alle 10-14 Tage (!) unter Zwang (Maulspreizer) geknipst werden, die ursächliche Erkrankung schreitet unterdessen voran und das Tier leidet. Wenn dann doch mal ein zahnkundiger Meerschweinchen-Tierarzt das Meerschweinchen zu Gesicht bekommt, ist es oft schon so weit fortgeschritten, dass er kaum noch helfen kann. Mit einer frühzeitigen, ordentlichen Diagnostik und Behandlung unter Narkose kann oftmals die Ursache gefunden und behandelt oder behoben werden, so dass oftmals gar keine Behandlungen mehr nötig werden. Zudem wird wieder die richtige Kaufläche hergestellt, so dass das Meerschweinchen Frischfutter wieder normal zerkleinern kann. Ich erfahre laufend von Haltern, die monate- oder jahrelang die Zähne knipsen ließen und dann nach einer ordentlichen Korrektur beim Zahntierarzt, gar keine Behandlungen mehr benötigten. Zudem wird die Ursache behandelt, die meistens die starken Schmerzen verursacht. Für die meisten Zahnkorrekturen ist übrigens keine Vollnarkose, sondern nur eine Sedation (starkes Beruhigungsmittel) notwendig und das Risiko sehr gering. Gut behandelte Tiere werden oft sogar trotz regelmäßiger Sedationen sehr alt. Zudem besteht beim Knipsen nicht nur die Gefahr für Wirbelsäulen- und Beinbrüche (durch Abwehrbewegungen), die Zähne splittern durch das Knipsen und es entstehen feine Risse bis in die Wurzeln, die zu Abszessen führen. Das Knipsen am wachen Meerschweinchen ist eine längst überholte Methode. Oder lässt ihr euch eure Zähne beim Zahnarzt auch noch wie im Mittelalter ziehen?

Weitere Erläuterungen zum Thema finden Sie hier:
Die Empfehlung der DGT (Deutsche Gesellschaft für Tierzahnheilkunde) zur Zahnbehandlung bei Kaninchen und Nager

Erfahrungsberichte

Kiefer-Abszess durch entzündeten Schneidezahn, Pino war bei der OP 3 Jahre alt. Mittlerweile verstorben, hat aber noch 2 1/2 Jahre mit mehr oder weniger regelmäßigen Zahnkorrekturen und regelmäßigem Reinigen des Zahnfachs ein schönes Leben ohne geößere Einschränkungen gehabt. Ein Schneidezahn wurde entfernt.



Ernährung bei Zahnerkrankungen

Oftmals sind Ernährungsfehler die Ursache für Zahnerkrankungen, deshalb sollten betroffene Tiere auf eine reine Grünfutterernährung umgestellt werden. Wurden jedoch die Schneidezähne entfernt oder hat das Tier sehr starke Backenzahnfehlstellungen, so ist eine spezielle Ernährung erforderlich. Damit das erkrankte Meerschweinchen in der Gruppe fressen kann, ist der Sure Feed sehr gut geeignet.

Schneidezahnerkrankungen: Gepflückte Wiese kann normalerweise normal gefressen werden, Blattfutter sollte in Streifen geschnitten werden. Festes Gemüse (Karotten, Gurke, Sellerie…) muss in einer Küchenmaschine, oder mit einer Handreibe zerkleinert werden.

Backenzahnerkrankungen: Der Zahnabrieb sollte durch eine gute Ernährung verbessert werden! Bei schwereren Backenzahnerkrankungen oder kurz nach Operationen kann man klein geraspeltes Gemüse (Küchenmaschine, Reibe…) und eingeweichtes Cuni Complete füttern.

Tipps, wie Sie den Zahnabrieb verbessern und so möglicherweise die Bildung von Zahnspitzen verhindern oder die Abstände der Kürzung verlängern, können Sie hier nachlesen: Zahnabrieb


Quellen/Weiterführendes:
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