Magendrehungen beim Meerschweinchen – Ursachen, Symptome und Behandlung

Die Magendrehung beim Meerschweinchen, auch als Dilatatio et Torsio ventriculi bezeichnet, ist eine ernste Erkrankung, die schnelles Handeln erfordert. Sie tritt zwar selten auf, hat jedoch oft eine schlechte Prognose.

Was ist eine Magendrehung?

Eine Magendrehung beschreibt die Rotation des Magens um seine eigene Achse. Diese führt zu einem funktionellen Verschluss, wodurch Gas und Nahrungsreste nicht mehr abgeleitet werden können. Der Magen bläht sich auf (Dilatation), was zu einem erhöhten Druck im Bauchraum und letztlich zu Kreislaufproblemen führt​.

Magendrehungen bei Meerschweinchen sind selten, jedoch hochgradig gefährlich. Du solltest bei Verdacht auf dieses Krankheitsbild unverzüglich mit deinem Meerschweinchen eine Tierklinik aufsuchen, es zählt jede Minute. Nur so kann eine rechtzeitige Behandlung und eine Chance auf Rettung des Tieres ermöglicht werden.


Ungünstige Haltungsbedingungen wie wenig Platz, extreme Temperaturschwankungen, Rangordnungskämpfe oder Rangkämpfe und Mobbing innerhalb der Gruppe, zu viele Meerschweinchen in einem kleinen Gehege sowie ein Mangel an oder das Verteidigen von Ressourcen wie Futter können Stress auslösen. Auch häufiges oder falsch durchgeführtes Hochheben oder Bekuscheln, insbesondere durch Kinder, stellt einen erheblichen Stressfaktor für die Tiere dar.

Ursachen und Risikofaktoren

Eine Magendrehung wird multifaktoriell ausgelöst. Die genauen Ursachen sind nicht vollständig geklärt, jedoch können folgende Faktoren eine Magendrehung begünstigen:

  • Stress und Schmerzen: Stress kann zu einer Hemmung der Darmbewegungen führen, was eine Aufgasung begünstigt.
  • Verdrängung des Magens im Bauchraum: durch Trächtigkeit, Ovarialzysten, Tumoren etc.
  • Hypomotilität des Darms: Verminderte Magen-Darm-Aktivität durch Fütterungsfehler oder Vorerkrankungen (z. B. Zahnerkrankungen).
  • Futter: Große Mengen quellenden Futters, wie Pellets, können eine übermäßige Dehnung des Magens verursachen, besonders gieriges Fressen von Trockenfutter mit anschließender exzessiver Wasseraufnahme
  • Medikamente: Bestimmte Wirkstoffe (z. B. Xylazin) können die Darmmotilität hemmen​
  • Genetik: genetische Veranlagung in bestimmten Zuchtlinien

Man geht davon aus, dass der Magen erst aufgast und dann nicht mehr richtig arbeitet und den Nahrungsbrei nicht weiter transportiert, so dass dann die Magendrehung entsteht.


Symptome: Wie zeigt sich eine Magendrehung?

Bei Meerschweinchen, die sich zurückziehen, müde sind und keinen Appetit zeigen und bei denen im Röntgenbild ein vergrößerter, gasgefüllter Magen mit veränderter Lage erkennbar ist, sollte auch an eine Magendrehung als mögliche Diagnose gedacht werden. Würgen, Speicheln und zurück fließender Nahrungsbrei treten nur bei einer Magendrehung und nicht bei anderen Verdauungsstörungen auf, außer bei Zahn- oder Rachenerkrankungen.

Die meisten Symptome sind meist unspezifisch:

  • Ruhiges oder zurückgezogenes Verhalten (Apathie)
  • Dehydratation
  • reduzierte Futteraufnahme
  • Aufgeblähter Bauch (Tympanie)
  • Atemnot, schnelle Atmung, Atemgeräusche
  • Schmerzen beim Bauchabtasten
  • Untertemperatur
  • schneller Herzschlag
  • Verzögerte kapilläre Füllungszeit (wenn man kurz auf die Schleimhaut drückt, wird es weiß. Es dauert länger als normal, bis die rosa Farbe zurückkehrt, was auf Kreislaufprobleme hinweisen kann) und blasse/zyanotische Schleimhäute (das Zahnfleisch und die Schleimhäute sind blass oder sogar bläulich verfärbt, was auf Sauerstoffmangel oder Kreislaufversagen hindeutet)
  • Fehlender Kotabsatz
  • Regurgitation, Würgen
  • Speicheln
  • das Meerschweinchen wird plötzlich tot aufgefunden

Bei fortgeschrittenem Verlauf kann es zu Kreislaufproblemen, Atemnot und einem Schockzustand kommen.


Diagnostik: Ist es eine Magendrehung oder doch eine andere Verdauungsstörung?

Die Diagnostik stützt sich auf:

  1. Klinische Untersuchung: Abtasten des Bauches und Überprüfung von Vitalparametern.
  2. Bildgebung: Röntgenaufnahmen (ggf. mit Kontrastmittel) in drei Ebenen (links- und rechtsanliegend latero-lateral und ventro-dorsal) zeigen typischerweise einen gasgefüllten Magen, der mehr als 50 % des Bauchraums einnimmt und nach rechts und/oder Richtung hinteres Körperende verlagert ist. Bei einer Drehung von mehr als 180° kann der Magen auch links liegen. Teils sind Darmschlingen vor dem Magen sichtbar. Manchmal sieht man eine angedeutete Doppelgasblase.
  3. Blut- und Urinuntersuchungen: sie können helfen, den Zustand des Meerschweinchens besser einzuschätzen (Blut: Elektrolyten, Laktat, Nieren- und Leberwerte; Urin: Hydratationsgrad, Säure-Basen-Haushalt)
  4. Operation zur Diagnosefindung: diagnostische Laparotomie

Eine Rechtsverlagerung des Magens kann auch durch eine Leberlappentorsion auftreten!


Behandlung

Eine Magendrehung ist ein Notfall, der sofortige Maßnahmen erfordert:

  • Stabilisierung: Schock-Infusionen, körperwarme Vollelektrolytlösung in die Vene (Zugang über die V. cephalica antebrachii oder die V. saphena lateralis) oder den Knochen (intravenös oder intraossär), Wärmezufuhr, Sauerstoff und Schmerztherapie (z. B. mit Metamizol und Opioiden).
  • Dekompression des Magens: Entlastung durch eine Schlundsonde oder punktuelle Gasentfernung. Dies kann vorübergehend Linderung verschaffen.
  • Konservative Behandlung: Manchmal klappt auch diese Vorgehensweise ohne OP, da sich der Magen zurück drehen kann. Neben der Entgasung können ggf. auch Laktulose, Simeticon/Dimeticon und Sucralfat gegeben werden, sofern ein Zugang zum Magen oral möglich ist.
  • Chirurgischer Eingriff: In manchen Fällen ist eine Laparotomie erforderlich, um den Magen manuell zu repositionieren und evtl. mittels Gastropexie zu fixieren. Es darf erst nach der Stabilisierung operiert werden. Die Prognose bleibt jedoch vorsichtig bis schlecht, es überlebt nur jedes dritte oder vierte Meerschweinchen den Eingriff.

Prognose

Die Überlebenschancen sind trotz intensiver Therapie oft gering, nur jedes dritte oder vierte Meerschweinchen überlebt trotz intensiver Behandlung, ohne Behandlung versterben alle Tiere. Neben der richtigen Behandlung ist auch entscheidend, in welchen Gesundheitszustand das Meerschweinchen ist und wie frühzeitig es behandelt wird, denn es sterben oftmals recht bald durch die Drehung abgeklemmte Bereiche ab.

Vorbeugung

Präventivmaßnahmen umfassen:

  • Stressarme Haltung und Vermeidung abrupter Futterumstellungen
  • Regelmäßige Zahnkontrollen und allgemeine Gesundheitsvorsorge um Erkrankungen frühzeitig zu behandeln, denn wenn das Meerschweinchen wegen Zahnerkrankungen oder Schmerzen nicht frisst, dann gast es auf und eine Magendrehung kann eher entstehen
  • Fütterung mit rohfaserreicher Nahrung (Grünfutter und Heu) und Verzicht auf quellendes Futter wie Pellets​
  • Verhindern von Schlingen und der Aufnahme von plötzlich großer Futtermengen durch genug gleichmäßiges Futterangebot
  • Verhindern der Aufnahme von quellenden Dingen wie z.B. Strohpellets oder Hanf- und Kokosmatten

Quellen u.a.:

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