Sehen (visuelle Wahrnehmung)

Sichtfeld und Sehschärfe

Erdbeeraugen

Meerschweinchen verfügen auf Grund ihrer hervorstehenden, großen Augen, die sich seitlich am Kopf befinden, über ein sehr großes Sichtfeld. Anders als der Mensch können sie mit gehobenen Kopf ihre fast Umgebung rundherum wahrnehmen (ca. 340° Grad) und nehmen so Feinde aus der Luft oder auch aus der Umgebung, sehr schnell wahr. Sie sehen also auch nach hinten.

Das dreidimensionale Sehen (binocular) ist nur vorne und hinten möglich (insgesamt ca. 75°). Über der Stirn bzw. direkt vor der Schnauze und hinter dem Hinterteil der Meerschweinchen befindet sich ein toter Winkel, in dem die Meerschweinchen nichts mit den Augen wahrnehmen. In diesem Bereich nutzen Meerschweinchen andere Sinne (Riechen, Tasten). Dies ist der Grund, warum Meerschweinchen Leckerlis zunächst intensiv beschnüffeln und mit den Tasthaaren ertasten, bevor sie davon kosten.

Räumliches Sehen ist jedoch bei Meerschweinchen mit Erdbeeraugen eingeschränkt (eindimensionales Sehen und Sehschwäche), zudem sind sie äußerst lichtsensibel und sollten im Schatten gehalten werden. Bei rotäugigen Ratten wurde nachgewiesen, dass bereits geringe Lichtintensitäten von 60 Lux längerfristig das Auge schädigen (phototoxische Retinopathie). Die Tiere vermeiden stärkere Lichtintensitäten schon ab 25 Lux. Meerschweinchen mit farbigen Augen vertragen hohe Lichtintensitäten ohne Schäden, z.B. 1200 Lux über mehrere Woche. Einige rotäugige Meerschweinchen leiden unter Nystagmus oder scannen um ihre Umgebung besser wahrzunehmen.

Tagsicht und Farbwahrnehmung

Jede Tierart nimmt ihre Umgebung anders wahr. Um uns in unsere Meerschweinchen hinein zu versetzen, kann es hilfreich sein zu verstehen, wie sie die Welt sehen.

Meerschweinchen sind fehlsichtig, die Umgebung wird eher unscharf wahrgenommen, Entfernungen können sie schwer abschätzen. Zudem nehmen Meerschweinchen besonders gut Bewegungen wahr, unbewegliche Objekte werden schlecht gesehen.

Normalerweise können Tiere und auch der Mensch die Pupille je nach Lichteinfall verengen oder erweitern. Meerschweinchen ist eine Verengung der Pupille kaum möglich (da 99 % der Nervenfasern des Sehnervs im Chasma opticum zur anderen Seite ziehen), so dass sie sehr lichtsensibel sind. Bei starker Sonneneinstrahlung sehen sie nur sehr schlecht.

Das Auge verfügt über verschiedene Rezeptorzellen, die für die Wahrnehmung zuständig sind. Stäbchen ermöglichen dabei das Sehen verschiedener Grauabstufungen, die Zäpfchen sind für das Farbsehen zuständig. Das Verhältnis der Stäbchen (die für das Hell-Dunkel-Sehen verantwortlich sind) zu den Zapfen (die für das Farbsehen verantwortlich sind) beträgt 4–5 : 3. Meerschweinchen können jedoch Farben sehen.

Nachtsicht

Meerschweinchen können sich in der Dämmerung und im Dunkeln besser orientieren als der Mensch. Durch die große erweiterte Pupille und besonders lichtsensible Stäbchen nehmen sie ihre Umgebung in der Dämmerung vergleichsweise hell wahr. Dadurch ist eine gute Übersicht möglich. Die Detailsicht ist jedoch eingeschränkt.

Hören (akustische Wahrnehmung)

Meerschweinchen haben ein ausgezeichnetes Gehör. Sie hören Töne in einem Frequenzbereich zwischen 60-49.000 Herz, der Mensch kann nur Töne zwischen 16 und 33.000 Herz wahrnehmen. Somit hören Meerschweinchen sehr hohe Töne, die der Mensch nicht wahrnehmen kann (Ultraschall).

Meerschweinchen mit roten Augen reagieren empfindlicher auf Geräusche und bekommen schneller Hörschäden.

Riechen (Olfaktorische  Wahrnehmung)

Das Meerschweinchen orientiert sich sehr stark über seinen Geruchssinn und hat sehr viele Riechzellen. Innerhalb der Gruppe haben Meerschweinchen einen eigenen Geruch, der die Gruppenzugehörigkeit anzeigt. Fremde Gerüche (z.B. durch Medikamente oder Operationen) können den Gruppengeruch stören und Konflikte auslösen.

Schmecken (Gustatorische Wahrnehmung)

Meerschweinchen können, wie auch der Mensch, süß, sauer, bitter und salzig, aber auch umami schmecken. Sie haben dabei eine sehr hohe Toleranz für Bitteres. Mit ihrem Geschmacksknospen schmecken sie deutlich besser als wir. Dies erklärt auch, warum sie als Nahrungsspezialisten die kleinen Feinheiten im Futter erschmecken und selektieren können. Sie nehmen zunächst alles erst einmal durch ihren feinen Geruchssinn unter die Lupe, bevor sie sich für einen Probebiss entscheiden. Dieser wird ggf. auch wieder ausgespuckt. Dadurch sind sie sehr schwer zu vergiften.

Tastsinn (Taktile Wahrnehmung)

Für die Nahorientierung der Meerschweinchen sind Tasthaare (Vibrissen) seitlich der Nase und über den Augen entscheidend. Sie verfügen aber auch über Tastkörperchen. Vibrissen werden im Fellwechsel nicht gewechselt.

Tasthaare helfen den Meerschweinchen Dinge wahrzunehmen, die ihren Augen verborgen bleiben, sie orientieren sich sehr stark über ihre Tasthaare. Mit der Schnauze ertasten Meerschweinchen ihre nahe Umgebung so wie wir mit unserer Hand. Da sie nicht sehen, was vor und unter der Schnauze liegt, wird es mit den Tasthaaren erkundet. Studien zeigen, dass das Schnurrhaarsystem bei Kleinsäugern eine Empfindlichkeit von weniger als 90 μm aufweist, was mit der Empfindlichkeit der Fingerspitzen von Primaten vergleichbar ist. Sie können mit den Tasthaaren nicht nur Futter selektieren, sondern auch Abstände und Tiefen einschätzen, den Boden und Unebenheiten ertasten und Vibrationen in der Luft spüren. Die Wahrnehmung der nahen Umgebung, also das Abtasten und auch abschätzen, ob sie durch eine Öffnung durchkommen, wird so ermöglicht. Das sorgt für eine gute Orientierung in Höhlen, Unterschlüpfen und bei Dunkelheit. Im Dunkeln fühlen sie, wenn sie wo dagegen stoßen würden und werden so vor Verletzungen geschützt. Der Mensch fühlt im Dunkeln mit seinen Händen. Da uns dieser Tastsinn fehlt, können wir uns oftmals schwer vorstellen, was das für die Meerschweinchen bedeutet. Meerschweinchen „sehen“ mit den Tasthaaren.

Auch um die Augen sind Tasthaare ausgebildet, bei einer Berührung blinzeln Meerschweinchen, drehen das Auge oder sogar den Kopf weg. So sind sie vor Verletzungen am Auge geschützt. Meerschweinchen mit funktionslosen Vibrissen sind deshalb für Augen-Erkrankungen gefährdet.

Der Geruchssinn ist von den Tasthaaren abhängig, denn Meerschweinchen können einen Geruch nur in Gänze beurteilen, wenn sie die Entfernung abschätzen können und das ist durch die Tasthaare gegeben.

Die Stellung der Tasthaare gehört mit zur Mimik und wird z.B. bei Aggressionen oder Schmerz verändert. Bei Meerschweinchen mit verkümmerten Vibrissen kann somit die Kommunikation mit Artgenossen erschwert werden.

Bei Berührung wird die Bewegung der Härchen auf die blutgefüllte Kapsel am Ende des Haares übertragen. Dort sitzt der Nerv, der die Reize an das Gehirn weiterleitet.

Mit dem Abschneiden der Tasthaare amputiert man ein ganzes Sinnesorgan zur Wahrnehmung und schränkt die Tiere ein. Keinesfalls dürfen Tasthaare beim Scheren des Fells mit gekürzt oder geschnitten werden!

Bei Rassen mit gekräuselten Tasthaaren kommt es häufig zu stark gewellten, verkürzten/verkümmerten oder sogar fehlenden Tasthaaren. Ein Fehlen der Tasthaare wird in Deutschland als Qualzucht eingestuft, solche Züchtungen sind verboten.


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