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Eierstockzysten (Ovarialzysten) bei Meerschweinchen
Zysten treten bei allen Säugetieren auf, allerdings entwickeln Meerschweinchen-Weibchen besonders häufig Symptome, die im Zusammenhang mit Zysten stehen. Rund die Hälfte bis drei Viertel aller weiblichen Meerschweinchen haben im Laufe ihres Lebens Ovarialzysten, nur ein Teil der Tiere zeigt jedoch Symptome, so dass diese behandelt werden müssen.
Während einige Meerschweinchen trotz offensichtlich ausgeprägten Ovarialzysten keinerlei Symptome zeigen, fallen andere durch
- symmetrischen Haarausfall an den Flanken,
- ihr aufmüpfiges Verhalten (Aggressionen, übersteigertes Sexualverhalten, vermehrtes Besteigen von Artgenossen)
- Verdauungsstörungen
- einen großen Bauchumfang (als wenn sie trächtig wären)
- fehlende Fruchtbarkeit bei Zuchtmeerschweinchen
- Abmagerung und
- eine allgemeine Infektanfälligkeit (besonders der Atemwege) auf.
Meerschweinchen mit Beulen an der Seite werden häufig für trächtig gehalten, haben aber eigentlich große Eierstockzysten.
Es werden vier verschiedene Zysten unterschieden:
- Große, hormonell jedoch nicht aktive Zysten, welche andere Organe verdrängen können. Die Folge können (wiederkehrende) Verdauungsstörungen und Abmagerung der betroffenen Tiere (hervortretende Wirbelsäule), trotz dickem Bauch sein. Die Form wird oft als „birnenförmig“ beschrieben. Durch den aufgebauten Druck auf das Zwerchfell, kann die Atmung verschlechtert werden. Sind keine Symptome vorhanden, müssen diese Zysten jedoch nicht behandelt werden!
- Kleine, hormonell aktive Zysten, diese verursachen einen hohen Östrogenspiegel, welcher symmetrischen Haarausfall an den Flanken hervorruft. Zudem kann der hohe Hormonspiegel eine Myelosuppression (Knochenmarkssupression) bedingen, welche als Anämie im Blutbild sichtbar wird. Die Tiere zeigen ein übersteigertes Sexualverhalten, Besteigen und Aggressionen. Oftmals ist das Immunsystem auch beeinträchtigt. Zudem wird die Entstehung von Gebärmuttertumoren gefördert.
- Große Zysten, die eine hohe hormonelle Aktivität aufweisen, solche zeigen die Symptome der beiden oberen Formen, da sie sowohl raumfordernd sind, als auch den Hormonhaushalt beeinflussen.
- Kleine Zysten ohne hormonelle Aktivität sind bei vielen Meerschweinchen im Alter nachzuweisen, bedürfen aber keiner Behandlung und verursachen keine Krankheitszeichen!
Ursachen und Entstehung
Ovarialzysten entstehen durch eine hormonelle Fehlfunktion, allerdings ist bisher unklar, was diese genau ausgelöst.
Während des normalen Zyklus reifen am Eierstock Follikel, in der Brunst platzen diese eigentlich auf, so dass das Ei befruchtet werden kann. Wenn zu wenig von dem luteinisierendes Hormon (LH) ausgeschüttet wird, kann das Aufplatzen verhindert werden und es entstehen Zysten. Diese kann man sich wie flüssigkeitsgefüllte Blasen vorstellen, wobei oftmals Geschlechtshormone (Östrogene, Progesteron) in der Flüssigkeit enthalten sind.
Gut ernährte oder übergewichtige (adipöse) Meerschweinchen erkranken deutlich häufiger an Ovarialzysten als ihre Artgenossen.
Häufig werden Mythen zu den Ovarialzysten verbreitet.
So wird immer wieder behauptet, dass das Decken der Meerschweinchen der Entstehung vorbeugen würde. Allerdings erkranken Zuchtmeerschweinchen ebenso häufig wie andere Meerschweinchen an Zysten, was diese These zweifelsfrei widerlegt. Sogar trächtige Meerschweinchen können Zysten aufweisen.
Auch die Anwesenheit eines Böckchens oder die Gruppenhaltung soll der Zystenbildung vorbeugen. Allerdings ist auch dies nicht wissenschaftlich bestätigt. Vielmehr scheinen Einzelmeerschweinchen genauso häufig Ovarialzysten zu entwickeln, wie Artgenossen in Paar- oder Gruppenhaltung, mit oder ohne Böckchen.
Diagnose
Erfahrene Tierärzte sehen schon auf den ersten Blick anhand der auffälligen Körperform, dass eine Zysten-Problematik vorliegen könnte. Durch Abtasten lässt sich dieser Verdacht dann bestätigen. Es gibt jedoch auch kleine Zysten die hormonell aktiv sind und Probleme bereiten. Bei auffälligen Syptomen sollte dieser Verdacht abgeklärt werden.
Auch Verkrustungen an den Zitzen können ein Hinweis auf Ovarialzysten sein.
Auch Röntgenbilder und Ultraschalluntersuchungen werden oft zur genauen Diagnostik herangezogen.
Differenzialdiagnosen zum Haarausfall: Schilddrüsenerkrankungen, Parasiten, Hautpilze, Morbus Cushing
Allerdings können Parasiten und Milben auch zusätzlich zur Zyste auftreten, da das geschwächte Immunsystem einen Befall begünstigt.
Behandlung
Hormonelle Behandlung
Die Hormonelle Behandlung bewirkt keine Heilung, sondern unterbricht lediglich für eine Zeit die Hormonproduktion, so dass die Zyste nicht weiter wächst. Sie ist insbesondere für alte, anderweitig erkrankte oder immun-suppremierte Meerschweinchen sinnvoll, da sie ein erhöhtes Narkose-Risiko haben könnten. Auch wenn keine meerschweinchenkundige Tierarztpraxis mit sehr guten Narkose-Management vorhanden ist, wäre sie anzuraten.
Es gibt folgende Optionen:
- Deslorelin (Handelsname: Suprelorin): Meerschweinchen können mit einem Hormonchip (Deslorelin) chemisch kastriert werden. Dadurch wird das Narkoserisiko umgangen. Der Chip muss ungefähr halbjährlich erneuert werden.
- Humanes Choriongonadotropin, HCG (Handelsname: Ovogest): 100-1000 I.E./kg s.c., entspricht 0,3-3ml/kg (Ovogest 300 IE) bzw. 0,1-1ml (Ovogest 1000 IE), 3 × im Abstand von 7–14 Tagen gespritzt (subkutan). Die Behandlung muss meist etwa halbjährlich wiederholt werden.
- Chlormadinon (Chlormadinonacetat): 10 mg/kg KGW. Ein Hormon (Gegenspieler vom Östrogen, senkt den Östrogenspiegel). Der Haarverlust verschwindet, leider werden jedoch nicht die Zysten zurückgebildet. Der Haarverlust tritt i.d.R. nach einigen Monaten erneut auf. Eine regelmäßige Chlormadinon-Injektion im Abstand von etwa fünf Monaten ist sinnvoll.
Invasive Behandlung
Behandlung großer Zysten
Große Zysten nehmen oft so viel Platz im Bauchraum ein, dass sie andere Organe verdrängen und einengen. Dadurch kann es zu Verdauungsstörungen oder anderen Erkrankungen kommen. Durch Punktieren oder Ausdrücken platzen die Zysten, so das wieder Platz für andere Organe entsteht:
Ausdrücken
Das oftmals praktizierte Ausdrücken ohne Narkose ist hoch schmerzhaft und deshalb nicht das Mittel der Wahl. Es sollte wenn überhaupt unter Narkose und mit Ultraschallkontrolle erfolgen, zudem muss sehr vorsichtig gearbeitet werden, um nicht andere Organe zu verletzten! Es entspricht jedoch einem natürlichen Vorgang, da Zysten durchaus im Körper aufplatzen können.
Punktion
Diese wird unter leichter Narkose vorgenommen. Die Zyste wird mit einer Nadel punktiert und die Flüssigkeit so herausgezogen. Bei sehr großen Zysten sollten zunächst nur eine Zyste punktiert werden, damit das Meerschweinchen den Volumenverlust besser verkraften kann.
Wichtig: Der Flüssigkeitsverlust muss unbedingt durch eine Infusion vor der Punktion ausgeglichen werden. Dabei wird die Menge, welche entfernt werden soll, infundiert.
Ggf. muss die Punktion zusätzlich mit einem Ultraschallgerät kontrolliert werden, insbesondere bei mehr-kammerigen Zysten.
Durch die Gabe von Ovogest kann das schnelle Auffüllen der Zysten verhindert werden.
Behandlung der Ursache
Kastration
Die einzige Methode, Zysten zu „heilen“ ist die vollständige Entfernung, also Kastration des Meerschweinchens (Ovariektomie oder Ovariohysterektomie). Dieser Eingriff ist allerdings eine relativ große Operation und deshalb genau abzuwägen. Dabei können die Eierstöcke mit entnommen werden. Meerschweinchen sollten nur bei einem meerschweinchenkundigen Tierarzt mit sehr guten Narkose-Management durchgeführt werden.
Homöopathische Behandlung
Eine eine Wirkung bei einer Behandlung mit homöopathischen Präparaten ist wissenschaftlich nicht belegbar. Häufig werden Hormeel ad us. vet. (von Heel, 2x/Woche 0,5ml/kg gespritzt oder 2-3x tägl. über das Futter gegeben) oder Ovarium compositum ad us. vet. (von Heel, 3x/Wo. 0,5ml/kg gespritzt oder 2-3x tägl. über das Futter eingeben) verabreicht.
Weitere Kontroll-Untersuchungen
Werden die Ovarialzysten nicht vollständig entfernt, so ist es anzuraten, regelmäßig Kontrolluntersuchungen vornehmen zu lassen, um die weitere Entwicklung der Zysten festzustellen. Dafür eignen sich beispielsweise Ultraschall-Untersuchungen. Zudem sollte gezielt auf Symptome geachtet werden, da die Zysten wieder aktiv werden können und so u.U. einen erheblichen Leidensdruck verursachen. Sollte dauerhaft keine Besserung erzielt werden können, ist eine Kastration anzuraten.
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