Blähungen, Aufgasungen, Trommelsucht

img_9781Was ist eine Aufgasung?

Aufgasungen sind beim Meerschweinchen sehr selten und fast immer auf Fütterungsfehler zurückzuführen.
Bei der Aufgasung handelt es sich um die Entstehung von Gasen im Verdauungstrakt. Anders als andere Tiere oder der Mensch, können Meerschweinchen kaum Aufstoßen oder pupsen, so dass sich die Gase schnell im Verdauungstrakt ansammeln.

Symptome/Diagnose: An was erkenne ich, dass mein Meerschweinchen aufgegast ist?

Betroffene Meerschweinchen sind teilnahmslos (apathisch), fressen weniger oder gar nichts, sitzen immer an der selben Stelle und bewegen sich nicht wie sonst. Die Tiere wirken rund und „aufgeplustert“. Manchmal ist eine Aufgasung auch am Bauch zu sehen (das muss jedoch nicht so sein), viele Meerschweinchen reagieren empfindlich beim Abtasten des Bauches. Die Diagnose kann einzig ein Tierarzt stellen, indem er das Meerschweinchen röntgt, denn es gibt einige andere Krankheiten, die sich ähnlich äußern.

Wichtig: Bestehen Sie bei Ihrem Tierarzt auf ein Röntgenbild, nur so kann eine Aufgasung sicher diagnostiziert werden, durch Abtasten ist dies nicht möglich!

Ursachen: Wie kommt es zu Aufgasungen?

Wenn der Magen oder Darm des Meerschweinchens aufgast, dann handelt es sich um eine Fehlfunktion der Verdauung, der grundsätzlich Ursachen zu Grunde liegen. Dieser Ursache sollte grundsätzlich nachgegangen werden um weitere Erkrankungen zu verhindern.

  • Eine Ursache kann die Fütterung größerer Mengen ungewohnten Futters sein, gerade trockenes oder ungesundes Futter führt recht schnell zu Blähungen, wenn es in ungewohnter Menge angeboten wird. Wenn die Meerschweinchen sehr ungesund mit Trockenfutter ernährt werden, reagieren sie auch oft auf Frischfutter mit Aufgasungen. Sehr verbreitet sind Aufgasungen im Frühjahr, wenn die Halter begeistert das frische Grün für ihre Meerschweinchen pflücken und es den zuvor Monate lang trocken ernährten Tieren in großen Mengen anbieten.
  • Auch vergorenes, ungeeignetes, schimmeliges und mit Spritzmitteln stark belastetes Futter kann Blähungen auslösen. Wenn Meerschweinchen eine große Futterauswahl haben, fressen sie stark belastetes oder altes/welkes Futter nicht, wenn Ihre Meerschweinchen solche Dinge zu sich nehmen, erhöhen Sie bitte die Frischfuttermenge drastisch.
  • Oft lassen sich bei Aufgasungen Hefen, Kokzidien, Giardien, e. coli Bakterien oder eine Darmentzündung nachweisen. Infektionen und Parasiten im Darm können die Verdauung behindern und so eine Aufgasung begünstigen. Gerade wenn die Meerschweinchen öfters aufgasen, liegen sehr oft Kokzidien als Ursache zugrunde. Lassen Sie deshalb grundsätzlich eine Kotprobe von drei Tagen auf Parasiten untersuchen, wenn Ihr Meerschweinchen Verdauungsprobleme hat. Bringe den Kot zu deiner Tierarztpraxis oder schicke ihn selbst ein (z.B. Exomed-Labor – mit dem Code „Kaninchenwiese“ bekommt ihr 10% Rabatt im Shop).
  • Bei vielen Tieren ist auch die Darmflora durch Antibiotika-Gaben, eine falsche Fütterung oder eine zu frühe Trennung von der Mutter unvollständig aufgebaut, was sie sehr empfindlich macht, eine gesunde Ernährung kann dies ausgleichen.
  • Auch Zahnprobleme (die ebenfalls durch eine Fehlernährung hervorgerufen werden oder angeboren sind) können Blähungen verursachen, da durch diese unzureichend zerkaute Nahrung in den Verdauungstrakt gelangt und diesen zusätzlich belastet.
  • Leider ist immer noch die Verfütterung von Trockenfutter verbreitet, auch vermeintlich gesundes Trockenfutter (bzw. hartes Brot, Knabberstangen oder Leckerlis), das als getreidefrei oder gesund angepriesen wird, macht die Verdauung krank und begünstigt Verdauungsprobleme. Der kranke Verdauungstrakt ist dann sehr schnell „überfordert“ und hat mit der Verdauung der Nahrung zu kämpfen. Dadurch werden einzelne Bestandteile nicht richtig verdaut und beginnen zu gären. Besonders eine zu trockene und energiereiche Nahrung ist eine der häufigsten Ursachen für Trommelsucht. Handelsübliches Trockenfutter (auch „getreidefreies Trockenfutter“, Trockengemüse, hartes Brot, Leckerlis und andere trockene Nahrung) verlangsamen die Verdauung, da sie recht schnell satt machen (hohe Energiedichte und „Quellfähigkeit – der Nahrungsbrei quellt bei Kontakt mit der Magensäure auf und verfünffacht sich im Volumen), die trockene Nahrung überfüllt den Magen und trocknet ihn ein Stück weit aus. Dadurch kommt es zu einem sehr langsamen Weitertransport oder Stillstand des Magens. Es wird auch keine neue Nahrung mehr aufgenommen oder nur sehr wenig (das Meerschweinchen ist satt und „überfüllt“) so dass kein nachschiebender Nahrungsbrei die Nahrung weiter transportiert. Dann öffnet sich der Magenpförtner nicht immer, da er bei trockenen Nahrungsbrei im Magen verschlossen bleibt und wartet, bis dieser ausreichend feucht ist. Liegender Nahrungsbrei ist sehr gefährlich, da sich bei Gärungsvorgängen Gase bilden können, die so auch nicht weiter transportiert werden können (Meerschweinchen können auch nicht Aufstoßen) und so gast sehr schnell der Magen auf. Auch der Darm kann auf selben Weg still gelegt werden und gast dann ebenfalls auf.
  • Auch wenn aufgrund einer anderen Erkrankung oder Schmerzen wenig oder nichts mehr gegessen wird, kann das Meerschweinchen aufgasen, da dann der Nahrungsbrei im Magen/Darm liegend verweilt. Dies kommt vor, wenn das Meerschweinchen krank ist, dabei können unterschiedlichste Krankheiten der Auslöser sein.
  • Längere Fresspausen oder Schlingen führen häufig zu Blähungen. Bieten Sie Ihren Meerschweinchen mehrmals täglich und ausreichend Grünfutter an, damit es in Ruhe fressen kann und stetig über Tag und Nacht verteilt, Nahrung zu sich nimmt.
  • Wenig Bewegung kann Blähungen verstärken, es tut den Meerschweinchen gut, wenn sich Meerschweinchen mit Blähungen viel bewegen und so die Verdauung in Schwung bringen. Eine artgerechte Haltung mit viel Platz (auch nachts) beugt Aufgasungen vor.img_4932

Wichtig: Viele Tierärzte geben an, dass die Kohlfütterung zu Blähungen führt. Das stimmt so nicht! Gesund ernährte Meerschweinchen vertragen Kohl problemlos in großen Mengen. Sollte er nicht vertragen werden, liegt es meist an der Fütterung von Pellets oder anderem ungesunden Futter, das den Darm belastet und zu Unverträglichkeiten gegenüber Kohl, Gras und anderen Frischfutter führen kann. 

Erste Hilfe

Als Notfallmedikation beim Verdacht auf Blähungen eignet sich etwa 0,5ml Simeticon (z.B. Sab Simplex 0,5-1ml/kg 3-6x tägl.) oder ein anderes Mittel mit dem Wirkstoffen Simeticon oder Dimeticon (langsamer wirksam) und 0,5ml Colosan/RodiCare akut (7-10 Tropfen 3x tägl.) oder ein ähnliches Medikament als Notfallmedikament zu Hause haben. Diese Medikamente können, wenn sie rechtzeitig verabreicht werden, Leben retten und sind bei einmaliger Gabe weder bedenklich, noch können sie überdosiert werden.
Zudem sollte das Meerschweinchen sanft am Bauch massiert und die Körpertemperatur mit einem Thermometer gemessen werden. Dafür wird es geölt und 1-2cm in den After geschoben (normal: 37,5-39,5 Grad).
Tritt jedoch keine zeitnahe Besserung ein, sollte gleich ein Tierarzt kontaktiert werden. Je nach Zustand des Tieres kann bis zu eine Stunde abgewartet werden. Ist das Tier dehydriert (Hautfalte legt sich nicht sofort) oder hat es Untertemperatur (unter 37,5 Grad), sollte nach der Gabe sofort der Tierarzt hinzugezogen werden! Die Meerschweinchen müssen auf dem Weg zum Tierarzt gewärmt werden, dafür werden sie auf eine Decke gesetzt, unter der eine Wärmflasche (nicht über 40 Grad) oder ein Snuggle Safe liegt, und mit einer Decke zugedeckt.

Nahrungsverweigerung ist beim Meerschweinchen immer ein absoluter Notfall! Sie endet innerhalb von Stunden tödlich! Verlieren Sie keine Zeit und warten Sie keinesfalls ab!

Behandlung: Was hilft gegen Blähungen?

Generell sollte das Tier beim Tierarzt erst stabilisiert werden. Dafür erhält es erwärmte Infusionen (je nach Kreislaufzustand muss diese intravenös verabreicht werden, 20-40 ml/kg)), Wärme, ggf. Sauerstoff, Schmerzmittel (z.B. Novalgin, 10-20 mg/kg, 2-3x tägl. ggf. kombiniert), etwas gegen die Übelkeit (MCP 0,2-1 mg, 1-3x tägl. oder Cisaprid – Achtung nicht länger als drei Tage), ggf. Säureblocker (Omeprazol) und Magenschutz (Sucralfat, Rinitidin) sowie Simeticon/Dimeticon um die Gasblasen zu zerstören.
Lactulose von Albrecht (macht den Stuhl weicher, indem es Wasser aus dem Darm zieht) können den Abgang der Verstopfung unterstützen. RodiCare Hairball hat sich ebenfalls bewährt.
Colosan/RodiCare akut (oder vergleichbare Präparate) helfen die Verdauung wieder ins Gleichgewicht zu bringen.

Achtung: Pflanzenöle werden zu gut 80% bereits im Dünndarm resorbiert und teilweise verseift, so dass sie ggf. nicht ankommen, wo sie benötigt werden. Im Magen und ersten Abschnitt des Dünndarms wirken sie jedoch abführend und wenn größere Mengen verabreicht werden, erreicht eine wirksame Menge Öl auch den Darm. Paraffinöl stört die empfindliche Darmflora und wird deshalb nicht empfohlen, bei eingetrockneten Blinddarm-Inhalt darf keinesfalls Paraffinöl verabreicht werden.

Gezielte Massagen helfen, die Verstopfung an der ermittelten Stelle zu lösen oder Klumpen zu verlagern, so dass der Nahrungsbrei wieder vorwärtsrutschen kann. Der Tierarzt kann nach dem Röntgenbild erklären, an welcher Stelle gezielt massiert werden kann. Erfahrungsgemäß wirken sich Streckbewegungen lösend aus.

Auch Bewegung kann helfen: Versuchen Sie, das Meerschweinchen vorsichtig zur Bewegung zu animieren, räumen Sie ihn jedoch auch Erholungsphasen ein.

Besteht der Verdacht, dass sich krankmachende Keime vermehrt haben (zum Beispiel im Differenzialblutbild an einer Pseudolinksverschiebung erkennbar, die ein Hinweis auf eine Entzündung ist), wird auch ein Antibiotikum wie z.B. Enrofloxacin gespritzt.

Gepäppelt wird vom Tierarzt extrem dünnflüssig und vorsichtig, sofern kein Verschluss vorliegt.

Wichtig! Bei einem Verschluss oder wenn der Magen massiv überfüllt ist, kann es durch die Zwangsernährung zu einem Zerreisen der Magenwand (Magenruptur) kommen!

Bei akuten Blähungen ist teilweise eine Überwachung der Meerschweinchen nötig, so dass sie stationär beim Tierarzt bleiben müssen, bis der Kreislauf stabil und die Lebensgefahr abgewendet ist.

Pflege

Bieten Sie Ihrem Meerschweinchen eine eingewickelte Wärmflasche an, denn viele aufgegaste Meerschweinchen sind unterkühlt, es darf diese Wärmequelle jedoch jeder Zeit verlassen. Um die Blähungen schneller zu lösen, sollte das Meerschweinchen zu Bewegung animiert und der Bauch sanft massiert werden. Bieten Sie Ihren Meerschweinchen frischen Dill, andere Küchen- und Wildkräuter und alles, was es fressen könnte direkt vor dem Maul an, damit es möglichst schnell wieder kleine Mengen zu sich nimmt. Wenn es anfängt zu fressen, hat es das Schlimmste überwunden.

Ernährung bei Meerschweinchen die zu Blähungen neigen oder bei Akut-Blähungen zur Unterstützung der tierärztlichen Therapie

Es gibt immer wieder Meerschweinchen, die aufgrund einer früheren Falschfütterung zu Blähungen neigen. Natürlich sollte an erster Stelle die Ernährung umgestellt werden. Eine Ernährung mit unbegrenzt Grünfutter (nach Möglichkeit aus der Natur) ist bei Blähungen die beste Wahl, da dadurch der Verdauungstrakt gleichmäßig belastet und reguliert wird. Jede Form von Getreide und fertigen Futtermitteln (Trockenfutter, Pellets, Mischfutter…) sollte erst einmal abgewöhnt werden. Getreide und Saaten als Energiefutter können, wenn die Verdauung wieder stabil ist, im begrenzten Umfang wieder angefüttert werden. Fertigfutter jeder Art ist aufgrund der verdauungsschädigenden Wirkung und den kritischen Inhaltsstoffen als Futter nicht empfehlenswert.

Diese Futtermittel wirken gezielt gegen Blähungen:

  • Küchen-Kräuter: Dill, Pfefferminze, Melisse, Basilikum, Petersilie, Thymian, Majoran, Salbei, Schnittlauch, Wermut, Liebstöckel, Lavendel, Brennnessel
  • Wald- und Wiesenkräuter: Bärenklau, Löwenzahn, Eichenrinde und -blätter, Bärlauch, Echte Kamille, Weidenkätzchen und Zweige, Schafgarbe, Wegwarte
  • Saaten: Dillsamen, Fenchelsamen, Kümmel, Anissaat
  • Gemüse: Fenchel, Ingwer

Quellen u.a.

Blümke, J., & Göbel, T. (2015): Anorexie beim Meerschweinchen–Diagnostik und therapeutische Maßnahmen. kleintier konkret, 18(S 01), 7-10.

Ewringmann, A.; Glöckner, B. (2012): Leitsymptome bei Meerschweinchen, Chinchilla und Degu: Diagnostischer Leitfaden und Therapie. Georg Thieme Verlag.

Gabrisch, K. (2010). Krankheiten der Heimtiere. Schlütersche.

Hamel, I. (2002). Das Meerschweinchen als Patient. Georg Thieme Verlag.

Zinke, J. (2004): Ganzheitliche Behandlung von Kaninchen und Meerschweinchen: Anatomie, Pathologie, Praxiserfahrungen. Georg Thieme Verlag.

Zinke, J. (2005). Behandlung nichtinfektiöser Erkrankungen bei Kaninchen und Meerschweinchen. Biologische Tiermedizin, 59.