Diabetes mellitus

Gewichtskontrollen helfen, Übergewicht frühzeitiger zu erkennen und entgegen zu wirken.

Diabetes mellitus ist beim Meerschweinchen eher selten, betroffene sind vorrangig junge Meerschweinchen mit Übergewicht.

Ursachen

Diese Ursachen scheinen eine Rolle zu spielen:

  • Ernährungsfehler (besonders Überfütterung, zu kohlenhydratreiche und zuckerreiche Ernährung)
  • Wahrscheinlich wird die Anfälligkeit für Diabetes teils erblich beeinflusst
  • Durch Ovarialzysten (gestageninduziert)
  • Vitamin D Mangel
  • Viren

Wie erkenne ich Diabetes bei meinem Meerschweinchen (Symptome)?

  • das Meerschweinchen wird immer dünner und hat Untergewicht (Body Condition Score)
  • es trinkt vermehrt und scheidet große Mengen Urin aus
  • manche Meerschweinchen entwickeln im fortgeschrittenen Stadium einen Grauen Star (Katarakt), das ist eine Augenerkrankung, bei der eine oder beide Augenlinsen trübe werden
  • Teils kommt es zu einer Immunschwäche (Infektionen, schlechte Wundheilung…)
  • Unbehandelt kann der Stoffwechsel entgleisen, es können Nieren- und Lebererkrankungen entstehen, woraufhin die Meerschweinchen auch mäkeln oder die Nahrungsaufnahme einstellen können.

Diagnose

Nur auf Meerschweinchen spezialisierte Tierärzte kennen sich mit Meerschweinchen-spezifischen Erkrankungen aus, deshalb sollte eine solche Tierarztpraxis aufgesucht werden. Leider hören wir immer wieder Grusel-Geschichten bei denen grobe Fehler passiert sind, z.B. Meerschweinchen mit Schilddrüsen-Erkrankung gegen Diabetes behandelt wurden, weil das spezielle Wissen zu Meerschweinchen fehlt.

Eine Blutuntersuchung zeigt, ob das Meerschweinchen unter Diabetes leidet:

Hyperglycämie (> 250 mg/dl, normal ist eine gewisse Schwankung, Referenzbereich je nach Labor ca. 90-250 mg/dl), die jedoch andere Ursachen haben kann (z.B. Stress, Brunst, Nierenerkrankung… siehe weiter unten), deshalb immer wiederholt messen und zusätzlich Fruktosamin (Langzeit-Glocosewert) messen! Fruktosamine sind jedoch proteingebunden und müssen deshalb im Zusammenhang mit dem Totalprotein beurteilt werden. Zudem sollte der T4 Wert mit gemessen werden, da Schilddrüsenüberfunktionen zu sehr hohen Glucose-Werten führen können, dann muss die Schilddrüsenerkrankung behandelt werden und es liegt kein Diabetes vor (häufig bei Tieren unter 3 Jahren)! Liegt der Blutzuckerspiegel über 60-125 mg/dl, ist eine Therapie sinnvoll.

Hypertriglyceridämie

Auch eine Urinuntersuchung (Urin-Stick) kann bei der Einschätzung helfen, denn bei Diabetes wird meist Glucose über den Urin ausgeschieden (Glucosurie). Im fortgeschrittenen Stadium werden auch Ketonkörper („diabetische Ketoazidose“) ausgeschieden, dadurch kann der Glucose-Wert auf dem Teststreifen negativ ausfallen (siehe ganz unten).

Was hilft meinem Meerschweinchen (Therapie)?

Ernährungs-Therapie

Der wichtigste Pfeiler der Behandlung ist die Umstellung auf eine faserreiche, zucker- und kohlenhydratarme Ernährung die rein aus Grünfutter bestehen sollte.

Obst ist eigentlich tabu, wird das Meerschweinchen mit Insulin behandelt, darf jedoch nach der Insulin-Gabe ein kleines Stückchen gefüttert werden.
  • Bittersalate (z.B. Endivie, Chicorée…)
  • Gräser
  • Wiesenkräuter (z.B. Löwenzahn, Spitzwegerich…)
  • Küchenkräuter
  • Gemüsegrün (z.B. Kohlrabiblätter, Karottengrün, Fenchelkraut…)
  • andere blättrige Gemüse (z.B. Spinat, Stangensellerie)
  • Kohl
  • Zweige
  • kleine Mengen andere Salate
  • Heu

Es sollte nicht abrupt auf diese Ernährung umgestellt werden, siehe Nahrungsumstellung

Tabu sind Getreide, Trockenfutter, Obst, hartes Brot, Trockenkräuter, Trockengemüse usw. – festes Gemüse darf nur in kleinen Mengen als Leckerli gegeben werden.

Die anderen Tiere in der Gruppe können problemlos ebenfalls mit dieser „Diät“ ernährt werden.

Bei Werten von 25 bis 300 mg/dl reicht häufig eine Ernährungsumstellung als Behandlung aus.

Unterstützende Nahrungsergänzungsmittel

Vitamin C kann den Blutzuckerspiegel senken, deshalb kann es Sinn machen, zweimal täglich Vitamin C Tropfen den Meerschweinchen mit Diabetes zu geben.

Neben einer passenden Ernährung sollte zudem auf eine ausreichende Vitamin D Zufuhr (UVB-Lampe oder Sonnenlicht ohne Fensterglas dazwischen) geachtet werden!

Bockshornklee (Trigonella foenum-graecum) kann den Blutzuckerspiegels senken. Grund dafür ist eine spezielle Aminosäure (4-Hydoxy-Isoleucin), die bisher nur im Bockshornklee gefunden wurde. Dies wurde jetzt an Ratten mit Diabetes Typ I erforscht. Wichtig ist, diesen ganz langsam anzudosieren und dabei den Blutzuckerspiegel engmaschig zu überwachen.

Medikamente und weitere Maßnahmen

Wenn das Meerschweinchen Ovarialzysten hat, kann eine gestageninduzierte Diabetes mellitus dahinterstecken, hier wäre eine Kastration (Ovariohysterektomie) zu erwägen. Ovarialzysten müssen nicht unbedingt sichtbar sein.

Schlängt die Behandlung nicht an, sollte eine Insulingabe erfolgen. Insulingaben sind bei Werten über 300 mg/dl empfehlenswert. Es kann Glargin (0,5–0,75 I.E. einmal täglich unter die Haut gespritzt) gegeben werden (teils lebenslang). Die Dosis muss langsam eingeschlichen und sorgfältig durch Blutzuckermessungen eingestellt werden. Das passiert i.d.R. beim Tierarzt, das Meerschweinchen wird dafür einen Tag lang mit Partnertier und gewohnten Futter (!) abgegeben und wiederholt der Blutzucker gemessen. Wenn Insulin verabreicht wird, muss täglich vor der Insulingabe gemessen werden, ob und wieviel Insulin gespritzt werden soll. 

Bei Leber- oder Nierenerkrankungen sind Infusionen und unterstützende Präparate (z.B. Mariendistelextrakt, B-Vitamine) wichtig.

So unterstützt und überwachst du dein Meerschweinchen zuhause:

Auch wenn die Handhabung von Meerschweinchen mit Diabetes erst einmal kompliziert klingt, pendelt sich die Behandlung meist recht schnell ein und ist weder mit einem extremen Aufwand verbunden, noch sehr kostenintensiv.

Zuhause kann neben einer optimalen Ernährung mit etwas Geschick der Blutzucker selbst gemessen werden. Urinsticks sind zudem sehr einfach machbar um die Glucose-Ausscheidung und mögliche organische Erkrankungen, die häufig in Folge von Diabetes auftreten, zu kontrollieren.

  • Blutzuckermessgerätdieses ist günstig und hat günstige Teststreifen. Der Wert sollte sich durch die Nahrungsumstellung auf unter 300mg/dl, möglichst sogar unter 250mg/dl einpendeln. Übersteigt er die 300mg/dl, ist eine Insulin-Therapie sinnvoll. Wenn Insulin verabreicht wird, muss täglich vor der Insulingabe gemessen werden, ob und wieviel Insulin gespritzt werden soll. Es wird ein Blutstropfen benötigt. Hierzu wird mit der Lanzette ein kleiner Bluttropfen an den Zehen der Hinterpfoten genommen und auf einen Teststreifen aufgetragen. Das Gerät gibt daraufhin den Glucose-Wert an. Sinken die Werte durch die Insulin-Therapie zu stark (<90 mg/dl), sollte es entsprechend reduziert werden um eine lebensbedrohliche Unterzuckerung zu vermeiden.
Glucose-Wert HöheUnterzuckerung (Hypoglykämie) <90mg/dlReferenzbereich
ca. 90-250mg/dl
leichte Überzuckerung (Hyperglykämie) >250mg/dlstarke Überzuckerung (Hyperglykämie) >300mg/dl
Glucose
im Blutzuckermessgerät
Unterzucker! Kann durch eine zu hohe Insulingabe passieren. Etwas Obst oder zuckerreiches geben, beobachten, Insulindosis anpassen (tierärztliche Rücksprache erforderlich)Sehr guter Wert, das Diabetes-Management passt für dieses MeerschweinchenWird dieser Wert gemessen, reicht häufig eine Ernährungs-Therapie ohne Insulin aus. Bekommt das Meerschweinchen bereits Insulin, ist dieser Wert soweit ok, Insulinmenge beibehalten, engmaschig weiterhin überwachen.Sehr hoher Wert! Insulintherapie bzw. -anpassung erforderlich (Rücksprache mit dem Tierarzt halten)
  • Urin-Teststreifen (z.B. diese) um Glucose und Organwerte im Urin zu testen/überwachen
Falsch negativ beeinflusst durch:Falsch positiv beeinflusst durch:Aussage/Interpretation:
Glucose im Urin-Teststreifen– Teststreifenfehler

– Hohe Ketonkörperkonzentration (ph-Wert bei über 9 im Teststreifen)
– Rückresorptionskapazität der Nieren überschritten (Nierenerkrankung – Blutcheck)
– Schilddrüsenerkrankung (T4 im Blut messen)
– starker Stress (vor dem Test vermeiden)
– Brunst/Östrus
Beim gesunden Meerschweinchen negativ, bei einem wiederholt positiven Wert sollte eine Blutuntersuchung beim Tierarzt erfolgen um die Ursache zu klären.
Ist bereits eine Diabetes diagnostiziert worden, hilft der Teststreifen bei der Überwachung des Glucose-Werts und unterstützt dabei, Folgeerkrankungen der Organe schneller festzustellen.
Zudem sind Blutchecks mit einem Blutzuckermessgerät (z.B. dieses) sinnvoll.

Ein Gewichtsprotokoll sollte geführt werden, regelmäßiges Wiegen ist wichtig zur Überwachung der Behandlung. Ideal sind diese Babywaagen, da man Meerschweinchen sehr einfach drauf locken kann.

Quellen u.a.:

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Ewringmann, A., & Göbel, T. (1998): Diabetes mellitus bei Kaninchen, Meerschweinchen und Chinchilla. Kleintierpraxis43(5), 337-348.

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Haeri MR, Limaki HK, White CJ, White KN. Non-insulin dependent anti-diabetic activity of (2S, 3R, 4S) 4-hydroxyisoleucine of fenugreek (Trigonella foenum graecum) in streptozotocin-induced type I diabetic rats. Phytomedicine. 2012 May 15;19(7):571-4. 

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Lang, M. C., & Munger, B. L. (1976): Diabetes mellitus in the guinea pig. Diabetes25(5), 434-443.

Kreilmeier-Berger T, Guija-De-Arespacochaga A, Bilek A, Künzel F. (2019): Remission of diabetes mellitus after ovariohysterectomy in a guinea pig with ovarian cysts. Tierarztl Prax Ausg K Kleintiere Heimtiere 2019;47: 55–59.

Kreilmeier-Berger, T., Zeugswetter, F. K., Blohm, K. O., Schwendenwein, I., Baszler, E., Ploderer, B., … & Künzel, F. (2021): Successful Insulin Glargine Treatment in Two Pet Guinea Pigs with Suspected Type 1 Diabetes Mellitus. Animals11(4), 1025.