Andere Bezeichnungen: Pododermatitis, Bumble foot, Ballenabszess, Sohlengeschwür (Pododermatitis erythematosa / ulcerosa / haemorrhagica, avaskuläre Nekrose)
Die Entzündung der Ballen ist beim Meerschweinchen eine recht häufige und leider sehr schmerzhafte Erkrankung bei der nicht nur die oberflächliche Haut, sondern auch darunter liegende Schichten, teils bis zum Knochen, entzündet sind. Oft bleibt sie zunächst unentdeckt und wird erst festgestellt, wenn sie bereits weit fortgeschritten ist. Deshalb ist fast immer eine intensive Behandlung erforderlich. Weibliche Meerschweinchen über 1kg sind besonders häufig betroffen.
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Ursachen
Ballenentzündungen entstehen beim Meerschweinchen i.d.R. als Nebenerkrankung zu einer anderen Krankheit, welche mit einem verringerten Bewegungsverhalten einhergehen, z.B. Tumoren, Gebärmutterkrankungen, Arthrose, Blasengries oder Schmerzen diverser Erkrankungen.
Zudem gibt es Faktoren, welche die Erkrankung begünstigen, meistens kommt es durch das Zusammespiel mehrerer Faktoren zu der Erkrankung (multifaktorielle Erkrankung).
- zu lange Krallen (dadurch wird der Fuß fehlbelastet)
- Zehenfehlstellungen (sehr häufig)
- Ballenverletzungen
- Übergewicht (z.B. durch Fütterungsfehler)
- Ungeeigneter Untergrund (nasse Einstreu, zu dünne Schicht, rauer Untergrund etc.)
- Übermäßige Belastung einer Gliedmaße (z.B. durch Erkrankungen anderer Gliedmaßen oder des Bewegungsapparates, Übergewicht oder Trächtigkeit)
- Grunderkrankungen die die Bewegung einschränken (insbesondere wenn das Meerschweinchen sich in den Urin setzt oder sehr immungeschwächt ist)
- Blasenerkrankungen (einnässen)
- Einzelhaltung (einzeln gehaltene Meerschweinchen bewegen sich weniger)
- Haltung in Käfigen oder kleinen Gehegen (weniger Bewegung als bei Haltung unter Mindestmaßen!)
- Infektionen/Entzündungen im Körper
Diese Faktoren führen dazu, dass eine erhöhte Druckbelastung oder Fehlbelastung die Haut und unten drunter liegenden Strukturen schädigt, es können Krankheitserreger (vor allem Bakterien, am häufigsten Staphylococcus aureus) eindringen und es entstehen Entzündungen der Haut, des Gewebes und der Sehnen bis auf den Knochen.
Diagnose
Die Diagnose kann häufig schon auf Grund des typischen Erscheinungsbildes gestellt werden. Dabei wird insbesondere die Schwere und beteiligten Strukturen abgeschätzt.
Warum weiterführende Untersuchungen wichtig sind
Nur so kann das Ausmaß der Pododermatitis richtig engeschätzt und die Ursache der Entzündung gefunden werden.
Bildgebende Verfahren (vor allem Röntgenbilder) sind wichtig um festzustellen, ob der Knochen und die Sehnen mit betroffen sind. Zudem können dabei Gelenkserkrankungen festgestellt werden, denn die Gelenekserkrankung als Ursache muss mit behandelt werden. Bleibt die Fehlbelastung durch die Gelenkserkrankung erhalten, heilt die Entzündung nicht aus oder kommt wieder.
Insbesondere bei eitriger Pododermatitis ist es wichtig, eine bakteriologische Untersuchung (BU) auf aerobe und anaerobe Keime (inkl. Antibiogramm) einzuleiten um das Antibiotikum richtig auszuwählen (einige sind bereits resistent).
Behandlung
Eine frühzeitige, intensive tierärztliche Behandlung ist wichtig, da die Entzündung sonst auf die Gelenke, Sehnen und Knochen übergeht! Dann ist häufig keine Heilung mehr möglich, teils muss das Tier sogar eingeschläfert werden.
- Bei eitriger Pododermatitis, Abszessbildung oder wenn tieferliegende Strukturen betroffen sind, muss unbedingt ein Antibiotikum gegeben werden (meistens Enrofloxacin (Orniflox®, Baytril®)).
- Um den Teufelskreis von Fehlbelastungen durch Schmerzen zu durchbrechen, und das Leiden zu lindern, sind entzündungshemmende Schmerzmittel wichtig (Meloxicam 0,5-1,5mg/kg gerne auf 2x tägl. aufteilen (Metacam, Melosus, Meloxidyl)).
- Die Wunden müssen auch beim Tierarzt gereinigt und direkt mit Salben behandelt werden, bewährt hat sich z.B. VulnoPlant ® und Manuca (bei eitriger Entzündung) sowie Bepanthen® Wund- und Heilsalbe (bei trockener/eingerissener/schuppiger Haut) oder Bepanthen® antiseptische Wundcreme (bei infizierter Haut).
- Wird Salbe aufgetragen, muss diese mit einem Verband abgedeckt werden. Das Anlegen von Fußverbänden muss vom Tierarzt gelernt werden (siehe Bilderserie weiter unten).
- In schwierigen Fällen kann durch eine Lasertherapie die Wundheilung unterstützt werden. Auch eine Kaltplasmatherapie ist möglich.
- Auch Fußbäder können sinnvoll sein.
- In seltenen Fällen kann es nötig sein, die Wundstelle chirurgisch zu versorgen (insbesondere bei Abszessen).
- Beheben der Ursache (sonst wird es wieder kommen!) und trocken halten sowie Auspolstern des Untergrunds (Torferde und Kokoserde/Kokoseinstreu aber auch Fleece-Haltung eignen sich besonders als Einstreu für erkrankte Tiere).
Ballenentzündungen benötigen intensive Pflege des Ballens, die Behandlung muss je nach Krankheitsbild zwischenzeitlich tierärztlich kontrolliert und angepasst werden.
Verband anlegen
Zwischenzehenbereich mit Watte auspolstern, zwei Lagen Fingerbob über das Gelenk rollen und mit Leukoplast® festkleben (detaillierte Information unter den Bildern).
Fotos: Tierarztpraxis Claudia Halbach
Quellen/Weiterführend:
Ewringmann, A., & Glöckner, B. (2012): Leitsymptome bei Meerschweinchen, Chinchilla und Degu: Diagnostischer Leitfaden und Therapie. Georg Thieme Verlag.
Gabrisch, K. (2014): Krankheiten der Heimtiere. Schlütersche.
Hamel, I., Drescher, B. (2012): Meerschweinchen: Heimtier und Patient. 3. Auflage. Enke Verlag
Heekerens, N. (2009): Untersuchungen zur Pododermatitis bei Meerschweinchen und Kaninchen (Dissertation).
Holz, M. (2016): Pododermatitis beim Meerschweinchen. kleintier konkret, 19(S 01), 10-16.
Rother, N., & Lazarz, B. (2017): Haltungs-und fütterungsbedingte Erkrankungen beim Meerschweinchen. kleintier konkret, 20(S 01), 31-36.
Thöle, M., & Fehr, M. (2015): Geriatrie beim Meerschweinchen–Welche Erkrankungen sind von Bedeutung?. Kleintier konkret, 18(S 02), 11-19.