Wer mit wem?

Im Vorwege sollte man sich überlegen, welche Charaktere die Tiere haben, die bereits in Ihrem Zuhause leben. Wenn man sich für ein Tier aus einer Notstation oder aus dem Tierheim entschieden hat, bekommt man idealerweise ein Tier, dass zu den anderen Tieren passt. Zumindest wird man entsprechende Infos bekommen, welche charakterlichen Eigenschaften das Tier hat. Außerdem hat man hier meistens die Sicherheit, dass man das Tier zurückgeben kann, sollte die Vergesellschaftung scheitern.

Das Erzieher-Meerschweinchen

Damit Meerschweinchen Sozialverhalten erlernen (Sozialisation) sollten jungen Meerschweinchen (unter einem Jahr) ein oder mehrere sozialkompetente ausgewachsene Meerschweinchen hinzugestellt werden. Reine Jungtiergruppen sind nicht zu empfehlen, da so die wichtige Sozialisation auf der Strecke bleibt. Besonders für Böckchen ist es sehr wichtig, dass sie mit erwachsenen Böckchen aufwachsen, die sie erziehen und ihm konfliktvermeidendes Verhalten beibringen.

Welche Geschlechter?

Gemischte Gruppen?

Am wohlsten fühlt sich eine Gruppe aus einem kastrierten Bock und einem oder mehreren Weibchen.

Können auch mehrere Böckchen zusammen in einer gemischten Gruppe leben? Ja, das geht! Es gibt umfangreiche Studien zu diesem Thema und zum Sozialverhalten beim Meerschweinchen. Allerdings ist es dafür wichtig, wie die Meerschweinchen sozialisiert wurden. Die Böckchen müssen in einer Gruppe mit erwachsenen Männchen aufwachsen und nicht nur mit Jungtieren oder Weibchen… Das ist leider recht selten der Fall… deshalb sind viele Böckchen in einer Gruppe mit anderen Böckchen überfordert und können dann sogar vor Stress sterben!

Bei mehreren Kastraten in einer Weibchengruppe sollten mindestens 2-3 Weibchen je Kastrat vorhanden sein. Zudem muss sehr viel Platz angeboten werden.

Komplett ungeeignet sind Gruppen mit mehreren Kastraten und weniger als doppelt so vielen Weibchen, z.B. zwei Böckchen und ein Weibchen oder zwei Weibchen und zwei Böckchen. Es kommt zu starken Rivalitäten zwischen den Böckchen, die blutig enden können!

Große gemischtgeschlechtliche Gruppen?

Gemischtgeschlechtliche Gruppen mit mehreren männlichen und weiblichen Meerschweinchen können in großen Kolonien zusammenleben, solange eine vielfältige Altersstruktur vorhanden ist. Optimal ist es, eine kleine gemischtgeschlechtliche Gruppe schrittweise zu vergrößern, indem frühkastrierte Böckchen und Weibchen nach und nach hinzugefügt werden. Die Bildung einer großen Gruppe aus weniger gut sozialisierten Tieren, die zuvor in Paar- oder Einzelhaltung lebten, sollte vermieden werden, da dies oft zu starkem Droh- und Kampfverhalten, erheblichem Stress und gesundheitlichen Problemen führen kann.

Gleichgeschlechtliche Gruppen – Böckchengruppen?

Auch gleichgeschlechtliche Gruppen sind möglich, wobei reine Weibchengruppen von einem Böckchen profitieren, daher raten wir eher davon ab.

Reine Böckchenhaltungen sollten erfahrenen Haltern vorbehalten sein, zumindest wenn mehr als zwei Böckchen gehalten werden. Zwei Böckchen sind auch für gut informierte Anfänger geeignet.

Die Haltung mehrerer Kastraten in einer Gruppe kann gut funktionieren, allerdings sollte man sich hier bewusst sein, dass die Tiere ausreichend Platz und Rückzugsmöglichkeiten brauchen. Je mehr Tiere in der Gruppe, desto größer sollte das Gehege sein, um Stress und Konflikte zu vermeiden. Zwei Kastraten sind oft einfacher zu halten und harmonischer, als eine große Gruppe.

Ob Böckchen in einer Böckchen-Gruppe zurecht kommen, ist sehr stark davon abhängig, wie sie sozialisiert wurden. Am besten klappt es, wenn sie von Klein auf (möglichst frühkastriert) in einer Böckchengruppe gelebt haben bzw. zumindest Kontakt zu geschlechtsreifen Böckchen hatten. So lernen sie das nötige Sozialverhalten (z.B. sich unter zu ordnen und mit Konflikten umzugehen).

  • Eine Zweierbeziehung zwischen Böckchen ist am stabilsten, wenn eines der Tiere ein paar Monate älter ist als der Neuzugang, der idealerweise nicht älter als acht Wochen sein sollte.
  • Auch bei zwei frühkastrierten Böckchen funktioniert diese Konstellation gut.
  • Stabile Zweier-Gruppen sind meistens recht harmonisch und zeigen kein aggressives oder Rangordnungs-Verhalten wie in größeren Böckchen-Gruppen
  • Böckchen können auch in Vierergruppen gehalten werden, vorausgesetzt, es steht ausreichend Platz zur Verfügung. In einer größeren Gruppe animieren sich die Tiere gegenseitig zur Bewegung, da meist immer ein Tier aktiv ist. Zudem haben sie die Möglichkeit, die sozialen Kontakte innerhalb der Gruppe zu variieren. Wenn Babyböckchen nach der Trennung von ihrer Mutter in einer Gruppe mit erwachsenen Böcken aufwachsen, erlernen sie das Verhalten in einer sozialen Struktur.
  • Eine Kastration erhöht die Verträglichkeit enorm. Die Frühkastration ist ideal wenn die Tiere in einer Böckchengruppe leben sollen.
  • Eine Kastration bei bereits geschlechtsreifen Böcken ist sehr sinnvoll um langfristig eine harmonische Gruppe zu haben. Wenn sie sich bereits zerstritten haben, kann zwar die Kastration in einigen Fällen die Situation beruhigen, verändert jedoch nicht grundlegend die Dynamik innerhalb der Gruppe. Hat sich ein Streit einmal festgesetzt, bringt eine Kastration in der Regel keine Lösung. Dennoch gibt es Fälle, in denen ein aggressives Böckchen nach der Kastration plötzlich friedlich wird und sich problemlos wieder in die Gruppe integriert.

Männliche Meerschweinchen zeigen untereinander Balz- und Sexualverhalten, das dem ähnelt, das sie normalerweise Weibchen gegenüber zeigen. Dazu gehören Pseudokopulationen, bei denen es zu Aufreiten und Ejakulationen kommt. Einige dieser Männchen verhalten sich wie Weibchen und werden als „Pseudoweibchen“ bezeichnet. Diese Pseudoweibchen akzeptieren nicht nur das Balzverhalten und das Aufreiten anderer Männchen, sondern zeigen auch aktiv Abwehrurinspritzen – ein typisches Verhalten von Weibchen, das dazu dient, konkurrierende Männchen fernzuhalten. Die anderen Männchen in der Gruppe behandeln diese Pseudoweibchen wie echte Weibchen und konkurrieren um ihre Gunst. Die Pseudoweibchen selbst nehmen nicht an den häufigen Konflikten teil und sind selten Opfer aggressiven Verhaltens (Beer & Sachser 1992).

Quellen u.a.:

Beer, R. and Sachser, N. (1992): Sozialstruktur und Wohlergehen in Männchengruppen des Hausmeerschweinchens. In: Aktuelle Arbeiten zur artgemäßen Tierhaltung 1991, KTBL‐Schrift 351. Eds Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft e.V. & Deutsche Veterinärmedizinische Gesellschaft e.V., pp. 158–167. KTBL‐Schriften‐Vertrieb im Landwirtschaftsverlag GmbH, Darmstadt.

Golledge, H., & Richardson, C. (Eds.). (2024): The UFAW Handbook on the Care and Management of Laboratory and Other Research Animals. John Wiley & Sons.

Sachser, N. (1994): Sozialphysiologische Untersuchungen an Hausmeerschweinchen: Gruppenstrukturen, soziale Situation und Endokrinium, Wohlergehen. Berlin: Parey.